Hoffnung schenken in dunklen Stunden

Was motiviert Psychologinnen und Psychologen, Menschen in schweren Krisen zu begleiten? Tamara Lovrinovic, Protagonistin unserer neuen Berufsvideos, spricht im Interview über Sinn und Tiefe ihres Berufes – und verrät, welche Momente ihr zeigen: «Genau dafür mache ich das».

Tamara, du begleitest Menschen in schwierigen Lebensphasen. Woher nimmst du die Kraft dafür?

Ich habe viele Jahre auf diesen Beruf hingearbeitet – das schafft eine tiefe innere Motivation. Es ist ein besonderes Vertrauen, wenn Menschen mir ihre Lebensgeschichten anvertrauen und ich sie in schwierigen Phasen unterstützen darf.

Du hast kürzlich ins ambulante Setting gewechselt. Wie hat das deine Arbeit bereichert?

Ich habe jahrelang stationär gearbeitet, vor allem mit Menschen mit psychotischen Störungen und Abhängigkeitserkrankungen. Jetzt arbeite ich ambulant – und das bringt neue Herausforderungen mit sich: ein breiteres Störungsspektrum, andere Dynamiken und eine ganz andere Art des Arbeitens. Dieser Wechsel hat meinen Blick erweitert und meine Arbeit als Psychologin deutlich bereichert.

Wie gestaltet sich dein typischer Tag, und was fasziniert dich daran?

Kein Tag ist wie der andere. Ich führe Einzelgespräche, leite Gruppen, arbeite im Team – und lerne täglich dazu. Das Menschliche steht immer im Zentrum, und genau das fasziniert mich. Besonders berührend finde ich, dass ich täglich mit so vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt komme, die ganz individuelle Lebensgeschichten mitbringen. Es ist ein grosses Privileg, wenn mir jemand sehr persönliche Dinge anvertraut – manchmal sogar zum ersten Mal überhaupt.

Das klingt erfüllend, aber auch fordernd. Wie sorgst du selbst für dein Wohlbefinden?

Regelmässige Reflexionen über herausfordernde Situationen und Supervision mit meinem Vorgesetzten helfen mir, berufliche Themen gut einzuordnen. Der Austausch im Team ist dabei genauso wichtig. Und für mich gilt ganz klar: So viel Ernsthaftigkeit der Beruf mit sich bringt – so viel Lockerheit muss es im Privatleben geben.

Dein Tipp für Psychologie-Interessierte?

Sei dir bewusst: Es ist ein langer Weg und das Studium ist sehr gefragt. Aber wenn dich das Fach wirklich fasziniert und du dranbleibst, lohnt es sich. Der Beruf bringt viele Herausforderungen mit sich, aber auch unglaublich viel Sinn und Tiefe. Es ist ein Weg, der persönlich und fachlich sehr bereichern kann.

Zum Schluss: Gibt es Momente, in denen du denkst: «Genau dafür mache ich das?»

Ja, solche Momente gibt es – und sie bleiben im Kopf und im Herzen. Ich denke zum Beispiel an einen Patienten, den ich nach einem Suizidversuch wochenlang begleitet habe. Beim Austritt hat er sich bedankt, dass wir ihn davon abgehalten haben – das war sehr bewegend. Oder an einen anderen, der mir nach einem Jahr Abstinenz Blumen an den Arbeitsplatz gebracht hat. Solche Augenblicke zeigen mir, wie wertvoll diese Arbeit ist.